Marktmissbrauch

Marktmissbrauchsverordnung (EU) Nr. 596/2014 (MAR)

Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission

Die Marktmissbrauchsverordnung wurde in der EU als Paket zusammen mit der Richtlinie 2014/57/EU über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation (Marktmissbrauchsrichtlinie) erlassen. Beide Rechtsakte sind in der EU am 3. Juli 2014 in Kraft getreten und seit 3. Juli 2016, für organisierte Handelssysteme, KMU-Wachstumsmärkte und Emissionszertifikate oder darauf beruhender Auktionsprodukte seit 3. Januar 2018 anwendbar. Die Marktmissbrauchsverordnung wird durch die Verordnung (EU) 2016/1011 (Referenzwertverordnung) sowie durch die Verordnung (EU) 2019/2115 (Verordnung zur Förderung der Nutzung von KMU-Wachstumsmärkten) abgeändert, wobei die Änderungen durch die Verordnung (EU) 2019/2115 am 1. Januar 2021 Anwendung finden.

Was regelt die Marktmissbrauchsverordnung?

Mit der Marktmissbrauchsverordnung hat der EU-Gesetzgeber einen harmonisierten Rahmen zur Wahrung von Marktintegrität geschaffen, welche Voraussetzung für einen integrierten, effizienten und transparenten Finanzmarkt ist. Das Ziel ist die Förderung des Anlegerschutzes und damit die Stärkung des Vertrauens der Öffentlichkeit in das Funktionieren der Wertpapiermärkte.

Marktmissbrauch ist ein Oberbegriff für unrechtmässige Handlungen an den Finanzmärkten und umfasst Insidergeschäfte und Marktmanipulation, die zur direkten oder indirekten Schädigung von Anlegern führen.

Der Anwendungsbereich der Verordnung erstreckt sich auf alle auf einem geregelten Markt, einem multilateralen oder organisierten Handelssystem gehandelten Finanzinstrumente im Sinne der Richtlinie (EU) 2014/39/EU (MiFID II) und auf jede andere Handlung oder Massnahme, unabhängig davon, ob sie auf einem Handelsplatz durchgeführt wird, die sich auf ein solches Finanzinstrument auswirken kann sowie auf Handlungen in Bezug auf Referenzwerte. Die Marktmissbrauchsverordnung gilt jedoch nicht für Massnahmen im Rahmen der staatlichen Geldpolitik, der Staatsschuldenverwaltung und der Klimapolitik.

Zur Sicherstellung der Transparenz haben Marktbetreiber sämtliche Finanzinstrumente, die zum Handel zugelassen werden oder auf einem Handelsplatz gehandelt werden bzw. jedes Erlöschen einer Zulassung der zuständigen Behörde zu melden, welche diese Informationen an die ESMA weiterleitet, wo eine öffentliche Liste geführt wird.

Die Marktmissbrauchsverordnung verbietet, ausgenommen für den Handel von eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufsprogrammen und Stabilisierungsmassnahmen, Insidergeschäfte und die unrechtmässige Offenlegung von Insiderinformationen sowie Marktmanipulationen.

Die Begriffe Insiderinformationen, Insidergeschäfte und Marktmanipulation werden umfassend definiert und durch Level II Rechtsakte der Kommission bzw. Leitlinien der ESMA präzisiert. Gleichzeitig wird festgelegt, dass die Verbote nicht zur Anwendung gelangen, soweit es sich um legitime Handlungen, um Marktsondierungen oder um eine zulässige Marktpraxis im Sinne der Marktmissbrauchsverordnung handelt.

Im Weiteren werden Massnahmen zur Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch für Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, vorgesehen. Diese Personen sowie andere Personen, die berufliche Geschäfte vermitteln oder ausführen, haben jegliche Verdachtsfälle an die zuständige Behörde des Handelsplatzes zu melden. Emittenten haben sie betreffende Insiderinformationen nach den gesetzlichen Vorschriften zu veröffentlichen und Insiderlisten zu führen bzw. von in ihrem Auftrag oder für ihre Rechnung handelnden Personen führen zu lassen. Dem Emittenten und der zuständigen Behörde sind alle Eigengeschäfte von Führungskräften oder diesen nahestehenden Personen zu melden. Im Hinblick auf die Erstellung von Statistiken, die Abgabe von Anlageempfehlungen sowie auf die Weitergabe oder Verbreitung von Informationen in den Medien sind besondere Sorgfaltspflichten zu beachten.

Die für den Vollzug der Marktmissbrauchsverordnung zuständige Aufsichtsbehörde ist von den Mitgliedstaaten zu benennen, wobei sie für die Einhaltung der Bestimmungen im jeweiligen Mitgliedstaat sowie für alle in diesem Mitgliedstaat oder im Ausland ausgeführten Handlungen in Bezug auf Finanzinstrumente, die zum Handel an einen geregelten Markt zugelassen sind oder für die eine Zulassung beantragt wurde, die auf einer Versteigerungsplattform versteigert wurden oder die auf einem in ihrem Mitgliedstaat betriebenen multilateralen oder organisiertem Handelssystem gehandelt werden oder für die eine Zulassung zum Handel auf einem multilateralen Handelssystem im Mitgliedstaat beantragt wurde (in Liechtenstein ist es die FMA).

Den zuständigen Behörden werden verschiedene Befugnisse eingeräumt und sie werden zur Zusammenarbeit mit der ESMA, zur Amtshilfe und zum Informationsaustausch gegenüber Aufsichtsbehörden in anderen Mitgliedstaaten, mit den nationalen Strafbehörden sowie zur Zusammenarbeit mit nationalen Energieregulierungsbehörden gemäss der Verordnung Nr. 1227/2011 (REMIT) sowie mit der Europäischen Energieregulierungsbehörde ACER (Verordnung (EU) Nr. 713/2009) verpflichtet. Mit zuständigen Behörden von Drittstaaten können erforderlichenfalls Vereinbarungen über die Zusammenarbeit abgeschlossen werden. Für alle gelten das Amtsgeheimnis und die Regelungen zum Datenschutz.

Im Hinblick auf die Sanktionsbestimmungen sind sowohl strafrechtliche als auch verwaltungsrechtliche Strafen vorgesehen. Mitgliedstaaten haben zudem wirksame Mechanismen vorzusehen, über welche Meldungen von tatsächlichen oder möglichen Verstössen unter entsprechenden Schutzmassnahmen für die meldenden Personen möglich sind.

Wie findet die Marktmissbrauchsverordnung in Liechtenstein Anwendung?

Die Marktmissbrauchsverordnung in der jeweils gültigen Fassung sowie die dazu von der EU-Kommission erlassenen Delegierten und Durchführungsrechtsakte (Level II Rechtsakte) sind in Liechtenstein seit 1. Januar 2021 direkt anwendbar. Gleichzeitig gilt auch das EWR-Marktmissbrauchs-Durchführungsgesetz (EWR-MDG; LGBl. 2020 Nr. 155). Das bisherige Marktmissbrauchsgesetz (MG), die Marktmissbrauchsverordnung (MV) und die Finanzanalyse-Marktmissbrauchs-Verordnung (FinMV) sind seit 1. Januar 2021 ausser Kraft.

Die FMA überwacht im Rahmen ihrer Befugnisse insbesondere die Einhaltung der Bestimmungen zur Marktsondierung (Art. 11 MAR) und Anlageempfehlung (Art. 20 MAR), zum Verbot der Insidergeschäfte (Art. 14 MAR) sowie der Marktmanipulation (Art. 15 MAR), zur Meldung von verdächtigen Transaktionen (Art. 16 MAR), zur Veröffentlichung von Insiderinformationen (Art. 17 MAR), zur Führung von Insiderlisten (Art. 18 MAR) sowie zu den Eigengeschäften von Führungskräften (Art. 19 MAR).

Zu diesem Zweck hat die FMA auch elektronische Systeme eingerichtet und überwacht sowie analysiert sämtliche an die FMA gemeldeten Wertpapiertransaktionen.

Die FMA stellt auf ihrer Website folgende Formulare und Vorlagen zur Verfügung:

Was ist der Stand der Umsetzung?

Die Verordnung (EU) 2019/2115 (KMU-Wachstumsmärkte) wurde bis dato nicht ins EWR-Abkommen übernommen. Ein Inkrafttreten für den liechtensteinischen Markt setzt eine entsprechende Übernahme voraus. Der aktuelle Stand des EWR-Übernahmeverfahrens kann unter folgendem Link abgerufen werden.