Nachhaltige Immobilienfinanzierung

Adressiertes Risiko

Makroprudenzielle Instrumente im Immobilienbereich adressieren Finanzstabilitätsrisiken im Zusammenhang mit Hypotheken. Eine nicht nachhaltige Immobilienfinanzierung gemeinsam mit steigenden Immobilienpreisen kann zu hohen systemischen Risiken führen und die Finanzmarktstabilität gefährden. Insbesondere in einer Krise kann eine zuvor nicht nachhaltige Immobilienfinanzierung die Anfälligkeit gegenüber systemischen Risiken für Kreditnehmer und -geber erhöhen. Daher ist das Ziel einer präventiven Adressierung systemischer Risiken aus der Immobilienfinanzierung, übermässiges Kreditwachstum einzudämmen bzw. zu vermeiden (i.e. Dämpfung des Kreditzyklus) sowie die Widerstandsfähigkeit von Kreditnehmern und Finanzinstituten zu erhöhen.

Aus den Finanzstabilitätsanalysen der FMA und des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ESRB) geht hervor, dass in Liechtenstein die hohe Verschuldung der privaten Haushalte mit systemischen Risiken verbunden ist, während die Risiken im Zusammenhang mit der Verwundbarkeit des Pfandes und der Finanzierungsverwundbarkeit als gering bzw. moderat eingestuft werden. Die hohe und in den vergangenen 20 Jahren kontinuierlich steigende Verschuldung der Haushalte macht diesen Sektor anfällig für unerwartete makroökonomische Schocks. Gleichzeitig können negative Rückkoppelungseffekte auf die Verwundbarkeit des Pfandes im Falle einer Materialisierung der Risiken im Bereich der privaten Haushalte nicht ausgeschlossen werden.

Aufgrund der hohen Haushaltsverschuldung bei gleichzeitigem Fehlen einkommensabhängiger kreditnehmerbasierter Massnahmen zur Eindämmung der weiteren Anhäufung von Risiken im Zusammenhang mit dem Wohnimmobiliensektor hat der ESRB Anfang 2022 eine Risikowarnung für Liechtenstein ausgesprochen. Die Risikobewertung des ESRB bestätigt damit auch frühere Risikoanalysen der FMA, weshalb im Jahr 2023 der Ausschuss für Finanzstabilität (AFMS) und die FMA Empfehlungen für die Anpassung der Kreditvergabestandards ausgesprochen und die Berichtspflichten der Banken entsprechend angepasst haben.

Zur Adressierung einer nicht nachhaltigen Kreditvergabepraxis können unterschiedliche kreditnehmerbasierte Massnahmen eingesetzt werden. Diese makroprudenziellen Instrumente ermöglichen beispielsweise die Implementierung von Höchstgrenzen für Beleihungsquoten (Loan-to-Value (LTV)-Quote), Schuldenquoten (Debt-to-Income (DTI)-Quoten) und Schuldendienstquoten (Debt-Service-to-Income (DSTI)-Quoten) sowie die Begrenzung von Laufzeiten von neu vergebenen Immobilienkrediten. Zusätzlich können bestimmte Anforderungen an die Amortisation von neu vergebenen Immobilienfinanzierungen gesetzt werden. Häufig werden diese Immobilienmassnahmen komplementär zueinander eingesetzt und sowohl als statische Begrenzung als auch als zeitvariable Grenze genutzt. Die Massnahmen werden zumeist in Aufschwungs- bzw. Boomzeiten eingesetzt, in denen sich eine Verschlechterung der Kreditvergabestandards - häufig in Zusammenhang mit einem Immobilienpreisboom - erkennen lässt.

Massnahmen

Im Februar 2015 wurde in Liechtenstein ein Massnahmenmix aus kreditnehmerbasierten sowie kreditgeberbasierten Instrumenten eingeführt, der in den folgenden Jahren seine Wirkung im Hinblick auf den Rückgang des Hypothekarkreditwachstums in Liechtenstein gezeigt hat. Die Verschuldung der privaten Haushalte ist jedoch in den letzten Jahren weiter angestiegen, was Risiken – sowohl für die privaten Haushalte selbst, als auch für den Bankensektor birgt. Daher wurden auf Empfehlung des Ausschusses für Finanzstabilität (AFMS) im November 2023 auf Basis der Ergebnisse einer Arbeitsgruppe mit Vertretern der FMA, des Liechtensteinischen Bankenverbands sowie den drei national systemrelevanten Banken der Massnahmenmix entsprechend angepasst, um dem weiteren Aufbau der privaten Haushaltsverschuldung entgegenzuwirken sowie die Effektivität der Instrumente auch längerfristig sicherzustellen. Daneben wurde auch das Risikobewusstsein sowohl auf Kreditgeber- als auch Kreditnehmerseite gestärkt sowie die Datenverfügbarkeit im Immobilien- und Hypothekarmarkt im Rahmen der neuen Meldestandards verbessert.

Folgende kreditnehmerbasierte Massnahmen (sogenannte Mindeststandards) gelten in Liechtenstein:

Beleihung:

  • Bei der erstmaligen Gewährung und bei der Erhöhung von grundpfandgesicherten Krediten für selbstgenutzte Wohnimmobilien und Renditeobjekte sowie bei der Neuregelung von Benützungsvereinbarungen für selbstgenutzte Wohnimmobilien und Renditeobjekte ist ein Beleihungssatz von höchstens 80 % zulässig. Ein Beleihungssatz grösser als 80 % ist in Ausnahmefällen möglich, wobei diese Kreditgeschäfte dann als "exceptions to policy"- Geschäfte qualifizieren (Anhang 4.5 BankV).
  • Amortisationsanforderungen gemäss Beleihung: Bei selbstgenutzten Wohnimmobilien und Renditeobjekten ist die Hypothekarschuld innerhalb von 15 Jahren linear auf zwei Drittel des Beleihungswertes der Immobilie zu amortisieren. Die Amortisation hat linear zu erfolgen (Anhang 4.5 BankV).

Tragbarkeit:

  • Definition von nachhaltiger Tragbarkeit: Die Tragbarkeit eines grundpfandgesicherten Kredites bei Wohnimmobilien gilt dann als nachhaltig, wenn die Ausgaben für die Wohnimmobilie auf Basis des kalkulatorischen Zinssatzes von mindestens 4.5% maximal 33% der nachhaltig verfügbaren Einnahmen des Kreditnehmers betragen. Dabei können andere bestehende Vermögenswerte bei der Berechnung der Tragbarkeit berücksichtigt werden. Liegt die Tragbarkeit bei einem Kredit über 37%, so gilt der Kredit als Ausnahmegeschäft (ETP).
  • Amortisationsanforderungen gemäss Tragbarkeit: Ist die nachhaltige Tragbarkeit bei Krediten nach dem 1. Juli 2024 nicht gegeben, d.h. liegt die Tragbarkeit über 33%, kommt eine Mindestamortisation von 1% des Gesamtkreditvolumens pro Jahr zur Anwendung, bis die nachhaltige Tragbarkeit von maximal 33% erreicht ist. Bei Bestandskrediten, welche vor dem 1. Juli 2024 abgeschlossen wurden, gilt diese Mindestamortisation, wenn es sich um ein ETP-Geschäft handelt, d.h. wenn die Tragbarkeit 37% übersteigt.

Welche Kredite vergeben werden, liegt ausschliesslich in der Entscheidung der jeweiligen Bank. Es gibt – ganz bewusst – keine Obergrenzen, wie viele Kredite eine Bank als Ausnahmegeschäfte vergeben kann oder darf. Entspricht ein Kredit nicht den Mindeststandards, muss die Bank der FMA die Anzahl und das Volumen dieser Kredite melden. Diese Informationen sind für die FMA entscheidend, um die Risiken der Banken besser überwachen zu können. Sie fliessen ebenfalls in die Gesamtrisikobeurteilung der Banken durch die FMA ein. Durch die höhere Transparenz, die durch die harmonisierten Berichtspflichten geschaffen werden, können die Risiken auch bankspezifisch besser adressiert werden.

Folgende kreditgeberbasierte, makroprudenzielle Massnahmen im Immobilienbereich gelten in Liechtenstein:

  • Risikogewichte: Anstelle des in Art. 125 (2) CRR aufgeführten Risikogewichte müssen Liechtensteiner Banken bei Wohnliegenschaften mit einem Beleihungswert zwischen 66,6% und 80% ein Risikogewicht von 50% halten (anstelle von 35% gemäss der Kapitaladäquanzverordnung, CRR).
  • Sektoraler Systemrisikopuffer: Der sektorale Systemrisikopuffer beträgt 1% des Risikobetrags der grundpfandgesicherten Kredite für Liegenschaften in Liechtenstein für alle Liechtensteiner Banken.

Die Entwicklung der Risiken wird weiterhin genau analysiert und bei Bedarf entsprechend angepasst. 

Weiterführende Informationen:

Detailliertere Informationen zu den einzelnen Massnahmen sind in der FMA-Mitteilung 2023/1, in den FAQs und unter der Rubrik «Ausschuss für Finanzstabilität» zu finden.