“Innovation als Herausforderung – und als Chance!“

Die Digitalisierung und besonders die neuen Finanztechnologien treiben die Innovation in der Finanzindustrie voran. Diese Entwicklungen stellen für Liechtenstein eine Chance dar. Das FinTech-Regulierungslabor ist das interne Kompetenzteam der FMA für neue Finanztechnologien. An der Schnittstelle zwischen Regulierung und Markt ist das Team sowohl Ansprechpartner für etablierte Finanzintermediäre als auch für neue Unternehmen rund um das Thema FinTech. Benjamin Bürgi ist seit Juli 2016 Praktikant FinTech in der Abteilung Recht im Bereich Banken. Wir haben ihn zu den aktuellen Entwicklungen und Trends befragt.

Benjamin, kannst du dich kurz vorstellen, uns erzählen, wer du bist, was du studierst und wie es zu deinem Praktikum im Bereich FinTech kam?

Nachdem ich in Fribourg – woher ich auch ursprünglich komme – den Bachelor in Rechtswissenschaften abgeschlossen habe, studiere ich nun im letzten Master-Semester Law and Economics an der Universität St. Gallen. Schon nach der Matura als auch während des Studiums habe ich immer gearbeitet, einerseits in verschiedenen Bereichen einer Schweizer Grossbank, andererseits bei einer Versicherung. Während meiner Bankentätigkeit hatte ich auch das erste Mal mit FinTech zu tun, wobei es um ein Projekt in Zusammenhang mit einer Bitcoin-Handelsplattform ging. Als technologiebegeisterte Person lag ein Praktikum im Bereich FinTech deshalb nahe, wobei sich bei der FMA glücklicherweise eine entsprechende Gelegenheit bot. Zudem erlaubt mir das Praktikum, schon während des Studiums theoretisches Wissen anzuwenden und zusätzliche Erfahrungen zu sammeln.

Das Regulierungslabor soll unter anderem FinTechs begleiten und den Start in Liechtenstein erleichtern. Wieviele solcher Unternehmen sind denn schon in Liechtenstein tätig?

Dazu muss zuerst die Frage geklärt werden, was unter dem Begriff „FinTech“ überhaupt verstanden werden soll. Grundsätzlich handelt es sich um einen Sammelbegriff für innovative Technologien und neuartige Geschäftsmodelle im Bereich der Finanzdienstleistungen. Damit sind natürlich nicht nur Start-ups gemeint, sondern auch etablierte Finanzintermediäre, die in verschiedenen Formen ebenfalls FinTech-Dienstleistungen erbringen. In Liechtenstein sind mittlerweile etwa ein Dutzend Unternehmen tätig, die sich unter dem Label FinTech subsumieren lassen. Unsere Aufgabe ist es dabei, diese Unternehmen in finanzmarktregulatorischen Fragestellungen zu begleiten und zu unterstützen. Das Regulierungslabor ermöglicht einen innovationsoffenen Austausch mit interessierten Marktteilnehmern. Dadurch kann intern das nötige Know-How aufgebaut werden, was uns erlaubt, die neuen Geschäftsmodelle sowie die damit einhergehenden Risikokomponenten besser zu verstehen und entsprechend einzuordnen.

Stichwort etablierte Finanzintermediäre: Wie reagieren diese auf die neuen Entwicklungen?

Die fortschreitende Digitalisierung erhöht den Druck auf traditionelle Modelle und erfordert ein Umdenken, um langfristig wettbewerbsfähig bleiben zu können. Die neuen Entwicklungen stellen aber weniger eine Bedrohung, sondern vielmehr eine Chance für die etablierten Akteure dar. Die Innovationskraft der FinTechs kann dabei als Antrieb für die Finanzintermediäre wirken, die neuen Herausforderungen anzunehmen und sich den verändernden Marktbedürfnissen aktiv zu stellen.

Was sind die regulatorischen und aufsichtsrechtlichen Herausforderungen beim Umgang mit innovativen Geschäftsmodellen im Bereich der neuen Finanztechnologien?

Die jeweiligen Geschäftsmodelle sind häufig komplex und greifen dabei zumeist nur einzelne Elemente der Wertschöpfungskette heraus. Diese lassen sich oft nicht ohne Weiteres von den herkömmlichen regulatorischen Rahmenwerken erfassen. Die entsprechenden Unternehmen kommen daher zunächst nicht mit einem Gesuch „Wir brauchen eine Banklizenz“, sondern mit der Frage: „Wir erbringen diese Dienstleistung, worunter fallen wir?“ Um diese Geschäftsmodelle einschätzen zu können, ist ein funktioneller Ansatz erforderlich. Es ist unter Anwendung der bestehenden Gesetze den jeweiligen Risiken Rechnung zu tragen, ohne dabei innovative Geschäftsmodelle mit unnötig prohibitiven Anforderungen zu konfrontieren – was freilich nicht in jedem Fall einfach ist. Ziel muss jedoch immer sein, eine technologieneutrale, risikogerechte und für bestehende Marktteilnehmer nicht-diskriminierende Regulierung in ausgewogener Weise zu gewährleisten.

Welche Angebote von FinTechs interessieren Nutzer am meisten? Was macht sie so attraktiv?

Wir bemerken ein grosses Interesse in den Bereichen Zahlungsdienste und E-Geld. Es scheinen insbesondere im Zahlungsverkehr viele Ineffizienzen zu bestehen, für die FinTechs innovative Lösungen bieten können. Generell können sich FinTechs überall dort gut positionieren, wo die bestehenden Systeme oder Prozesse schwerfällig und teuer sind. Entsprechend besteht auch eine Tendenz zur Desintermediation, hin zu flexibleren Plattformlösungen, die unabhängig von grossen Anbietern und vielen Zwischenvermittlern funktionieren.

Welche fünf Überlebenstipps kannst du FinTech-Startups mit auf dem Weg geben?

  • Dinge bewusst anders machen und innovative Wege gehen;
  • Gleichzeitig vorhandenes Know-how und Synergien nutzen sowie nötigenfalls nicht vor Kooperationen zurückschrecken;
  • Solide Finanzierung sicherstellen und vorhandene Ressourcen effizient einsetzen;
  • Klare, doch flexible Strategie verfolgen;
  • Auf Sicherheit und Seriosität setzen und dadurch Reputation und Vertrauen fördern. Insbesondere sind dafür die richtigen Leute an Bord zu holen. Der Grundsatz „move fast and break things“ sollte im FinTech-Bereich eher mit Zurückhaltung gelebt werden – die Finanzwelt baut auf Vertrauen! Dem können sich auch innovative FinTechs nicht dauerhaft entziehen.
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