MiFID

Mehr Transparenz und Anlegerschutz durch MiFID II/MiFIR

Mit 3. Januar 2018 traten neue Regelungen im Wertpapiergeschäft innerhalb der gesamten Europäischen Union (EU) in Kraft. Dazu wurde die bisher geltende Wertpapierhandelsrichtlinie (Markets in Financial Instruments Directive – MiFID (2004/39/EG) durch die neue Richtlinie (Markets in Financial Instruments Directive – MiFID II (2014/65/EU)) ersetzt. Neben der MiFID II trat zusätzlich die Verordnung (Marktes in Financial Instruments Regulative – MiFIR (600/2014/EU)) in Kraft.

Die wichtigsten Neuerungen im Überblick:

  • Erhöhung des Anlegerschutzes
  • Verbesserung der Kostentransparenz
  • Durchsetzung spezifischer Regeln für den algorithmischen Handel
  • Regulierung der nicht geregelten Märkte

1. Rechtsgrundlagen

1.1 Europäisches Gesetzgebungsverfahren

Das europäische Gesetzgebungsverfahren erfolgte im Fall der MiFID II/MiFIR nach dem vierstufigen Lamfalussy-Verfahren:

Die EU-Kommission verabschiedete MiFID II/MiFIR am 2. Juli 2014 (Level 1). Ergänzend zur MiFID II/MiFIR existieren eine Delegierte Richtlinie (2017/593/EU) sowie eine Delegierte Verordnung (2017/565/EU). Die EU-Kommission betraute die Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority - ESMA) mit der Ausarbeitung von Durchführungsverordnungen (ITS) und Delegierten Verordnungen (RTS) (Level 2). Darauf aufbauend erarbeitete die ESMA Auslegungsempfehlungen und Leitlinien (Level 3). Zusätzlich legte die ESMA die Level 2- und Level 3-Bestimmungen mittels „Question & Answers“ aus.

1.2 Umsetzung der MiFID II/MiFIR in Liechtenstein

Da die fristgerechte Übernahme der MiFID II für den Finanzplatz Liechtenstein, insbesondere für Banken und Wertpapierfirmen, als elementar erachtet wird und eine fristgerechte Übernahme der MiFID II/MiFIR in den EWR-Rechtsbestand nicht bis zum 3. Januar 2018 erreicht werden konnte, kommt eine Vorabumsetzung zum Tragen.

Das bedeutet, dass die Regelungen der MiFID II/MiFIR bereits vor deren Übernahme in den EWR-Rechtsbestand zu nationalen Rechtsvorschriften erklärt und angewendet werden. Gleiches gilt für die Level 2-Rechtsakte, die im Anhang der Bankenverordnung (BankV) bzw. der Vermögensverwaltungsverordnung (VVO) aufgeführt und damit in Liechtenstein für anwendbar erklärt werden. Die in der EU für MiFID II/MiFIR geltenden Leitlinien der ESMA werden mittels FMA-Mitteilung 2012/2 (Level 3) in den liechtensteinischen Rechtsbestand übernommen.

Mit Inkrafttreten des Beschlusses des Gemeinsamen EWR-Ausschusses, tritt die Übergangsregelung für Level I (MiFIR) und Level II (RTS/ITS) ausser Kraft. Der aktuelle Stand des EWR-Übernahmeverfahrens kann auf der Webseite der EFTA abgerufen werden.

2. Kernthemen bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen

2.1 Aufzeichnungspflicht

Nach Artikel 31c BankV erstrecken sich die erforderlichen Aufzeichnungen über alle Dienstleistungen, Tätigkeiten und Geschäfte. Daher sind Banken, Wertpapierfirmen und Vermögensverwalter neu unter MiFID II verpflichtet, sämtliche Korrespondenz und Telefongespräche, die zu einer Wertpapierdienstleistung führen können, aufzuzeichnen.

2.2 Bestmögliche Ausführung von Kundenaufträgen (Best Execution)

Wie schon unter MiFID I haben Banken und Wertpapierfirmen gemäss Artikel 8e BankG für eine bestmögliche Ausführung der Kundenaufträge im Interesse des Kunden in preislicher, quantitativer, qualitativer und zeitlicher Hinsicht zu sorgen und die hierfür erforderlichen Massnahmen zu treffen. Ergänzend regelt Anhang 7.4 BankV die Grundsätze zur Durchführung mit Finanzinstrumenten.

2.3 Produktgenehmigungsverfahren und Produktüberprüfung

Eine wesentliche Neuerung von MiFID II ist das Produktgenehmigungsverfahren. Seit dem 3. Januar 2018 sind Banken und Wertpapierfirmen, die Finanzinstrumente zum Verkauf an Kunden konzipieren, verpflichtet gemäss Artikel 8b BankG ein Verfahren für die Genehmigung jedes einzelnen Finanzinstruments und jeder wesentlichen Anpassung bestehender Finanzinstrumente zu unterhalten, zu betreiben und zu überprüfen, bevor es an Kunden vermarktet oder vertrieben wird.

Im Rahmen des Produktgenehmigungsverfahrens wird für jedes Finanzinstrument ein bestimmter Zielmarkt an Endkunden festgelegt. Dadurch wird sichergestellt, dass alle einschlägigen Risiken für diesen bestimmten Zielmarkt bewertet werden und die beabsichtigte Vertriebsstrategie mit dem Zielmarkt übereinstimmt. Das Produktgenehmigungsverfahren und Produktüberprüfung wirkt sich auf sämtliche Phasen des Produktzyklus – von der Produktkonzeption bis nach dem Verkauf (ex-post Transparenzpflicht) – aus.

2.4 Berichtspflichten

Gemäss Artikel 8g BankG müssen Banken und Wertpapierfirmen ihren Kunden in geeigneter Form über die für sie erbrachten Dienstleistungen Bericht erstatten. Dies hat grundsätzlich auf einem dauerhaftem Datenträger (z.B. Papier) zu erfolgen.

2.5 Umgang mit Interessenkonflikten und Offenlegung von Zuwendungen

2.5.1 Interessenkonflikte

Im Vergleich zu MiFID I verpflichtet MiFID II Banken und Wertpapierfirmen Interessenskonflikte nicht nur offenzulegen, sondern in erster Linie zu vermeiden. Daher haben Banken und Wertpapierfirmen gemäss Artikel 8h BankG in Verbindung mit Anhang 7.1 BankV alle geeigneten Vorkehrungen zu treffen, um dieses Ziel zu erreichen. Jedenfalls legt die Bank oder Wertpapierfirma ihren Kunden sämtliche (potenziellen) Interessenkonflikte offen, bevor sie ein Geschäft ausführt.

2.5.2 Zuwendungen

Im Zentrum der Zuwendungsthematik steht das Handeln im bestmöglichen Interesse des Kunden. Aus diesem Grund stellen Banken und Wertpapierfirmen gemäss Artikel 8h BankG sicher, dass sie die Leistung ihrer Mitarbeiter nicht in einer Weise vergüten, die mit ihrer Pflicht, im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden zu handeln, kollidiert. Insbesondere treffen sie keine Vereinbarungen im Wege derin Bezug auf Vergütung, Verkaufsziele oder auf sonstigem Wege, die ihre Mitarbeiter verleiten könnten, einem nicht-professionellen Kunden ein bestimmtes Finanzinstrument zu empfehlen.

Im übrigen dürfen Banken und Wertpapierfirmen im Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Nebendienstleistungen Gebühren, Provisionen oder sonstige monetäre und nichtmonetäre Vorteile (Zuwendungen) nur entsprechend Anhang 7.1 Ziff. III BankV gewähren oder annehmen. Darüber hinaus sind diese offenzulegen.

2.6 Eignung und Angemessenheit

2.6.1 Eignungstest

Beim Erbringen von Anlageberatung oder Portfolio-Verwaltung haben Banken und Wertpapierfirmen gemäss Artikel 8d BankG die notwendigen Informationen über die finanziellen Verhältnisse (Verlusttragfähigkeit, Anlageziele, Risikotoleranz sowie Kenntnisse und Erfahrungen) der Kunden oder potenziellen Kunden einzuholen, um geeignete Wertpapierdienstleistungen oder Finanzinstrumente empfehlen zu können. Bei unvollständigen oder unzureichenden Angaben warnt die Bank oder Wertpapierfirma den Kunden, dass keine Prüfung über die Angemessenheit des Produkts stattfinden kann und somit weder eine Empfehlung für eine Wertpapierdienstleistung noch ein Finanzinstrument ausgesprochen wird.

2.6.2 Angemessenheitstest

Die Prüfung auf Angemessenheit des Finanzinstruments kommt gemäss Artikel 8d BankG nur für andere Wertpapierdienstleistungen oder Nebendienstleistungen zur Anwendung.

Bei Geschäften, die ausschliesslich der Übermittlung von Aufträgen dienen, sogenannte Execution-only-Geschäfte, sind Banken und Wertpapierfirmen unter bestimmten Voraussetzungen von der Einholung der genannten Informationen befreit, sofern sie dies dem Kunden anzeigen und keine Interessenkonflikte vorliegen bzw. diese offengelegt werden.

2.7 Algorithmischer Hochfrequenzhandel

Gemäss Artikel 8k BankG verfügen Banken und Wertpapierfirmen, die algorithmischen Handel betreiben über wirksame Systeme und Risikokontrollen, die für das von ihnen betriebene Geschäft geeignet ist. Dadurch wird sichergestellt, dass Banken und Wertpapierfirmen:

  • über belastbare Handelssysteme und ausreichende Kapazitäten verfügen,
  • angemessenen Handelsschwellen und Handelsobergrenzen unterliegen und
  • die Übermittlung von fehlerhaften Aufträgen vermieden wird.

Wenden Banken und Wertpapierfirmen eine hochfrequente algorithmische Handelstechnik an, so müssen sie chronologische Aufzeichnungen aufbewahren und diese der FMA auf Anfrage zur Verfügung stellen. Weitere Anforderungen an den algorithmischen Handel finden sich in Artikel 27h BankV.